Karl der Große: Rethel Fresko (c) Andreas Herrmann

Karl wurde zur Projektionsfläche für Ideen und Ideologien

Alfred Rethel malte 1847 einen Karl, dessen Gesicht hinter einem Schleier verschwimmt. Das Bild greift eine mittelalterliche Beschreibung der Graböffnung durch Kaiser Ottos III. auf. Aber es ist zugleich ein Symbol dafür, dass die Züge des historischen Karl längst hinter einem Schleier späterer Deutungen und Umdeutungen verschwunden sind. Jedes Jahrhundert hatte Karl für sich gedeutet: als idealen Herrscher und als Heiligen, als Garanten von Wohlstand und Stabilität, als Franzosen oder als Deutschen.

Im 20. Jahrhundert vereinnahmten die Nationalsozialisten die Erinnerung an Karl. Das Regime nutzte ihn zunächst als Feindbild. Es zeichnete das Bild des „Sachsenschlächters“ und stellte ihm den sächsischen Anführer Widukind als germanische Symbolfigur gegenüber. Während des Zweiten Weltkriegs spielte dies keine Rolle mehr. Die NS-Propaganda inszenierte Karl als Vorläufer Hitlers und sein Reich als Vorform eines von den Nationalsozialisten „neu geordneten“ Europa. Eine Einheit der Waffen-SS trug den Namen „Division Charlemagne“. Sie war gedacht, um französische Freiwillige für den deutschen Vernichtungskrieg in Osteuropa zu mobilisieren.

Alfred Rethel, Fresko, 1847
Rathaus Aachen, Krönungssaal

Der verschleierte Karl

„Zahlreiche Vorzeichen hatten seinen herannahenden Tod angezeigt... Karl aber hielt nichts von diesen Vorzeichen; jedenfalls tat er so, als ob sie ihn nichts angingen.“


(aus: Einhard, Das Leben Karls des Großen, verfasst um 840)


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